*  Martin Nagel: Umwelt, Besiedlungs- und Kulturgeschichte  in Nordost-Niedersachsen während der Älteren Bronzezeit
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Vorbemerkung

Inhalt

Einleitung

Naturräumliche Umwelt

Besiedlungsgeschichte

Kulturgeschichtliche Interpretation

 

Kulturbegriff
Mensch und Umwelt
Befundanalyse
Zusammenfassung der Kulturmerkmale
Kulturhistorische Systeme als komplexe Beziehungsgefüge zwischen Endneolithikum, Älterer und Jüngerer Bronzezeit

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

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[4] KULTURHISTORISCHE INTERPRETATION DER ÄLTEREN BRONZEZEIT IN NORDOST-NIEDERSACHSEN

 

 

 

 

 

Dieser letzte Hauptabschnitt versucht einerseits durch die Synthese der Umweltdaten mit den archäologischen  Quellen, andererseits durch die gesonderte Betrachtung der sich aus den  Befunden ergebenden Informationen zur Klärung der Frage beizutragen, ob  und inwieweit sich daraus Merkmale oder Strukturen menschlichen Verhaltens  erschließen lassen, die zur Identifikation und Rekonstruktion von ehemaligen Kulturgruppengefügen berechtigen. Abschließend wird die Diskussion zur allgemeinen Stellung der Älteren Bronzezeit im kulturgeschichtlichen Prozeß innerhalb dieses Gebietes weitergeführt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[4.1] Kulturbegriff

 

 

 

 

 

Aus enzyklopädischer Sicht ist Kultur als die Gesamtheit der Lebensäußerungen eines Volkes anzusehen (BROCKHAUS 1968, III, 244), wobei weiter, unter Wesen der Kultur, erläutert  wird, daß dieser Begriff für das zusammengehörige Ganze von menschlichen  Werken die Prägung von Landschaften ebenso umfaßt, wie die Ausbildung von miteinander kommunizierenden Systemen, wie z.B. soziale, wirtschaftliche  oder technische Organisationsformen (a.a.0.). Diese Festsetzung ist, gerade  wenn sie auf erst noch zu interpretierende ärchäologischeVerhältnisse übertragen werden soll, recht grob, sie umschreibt aber als wichtigstes  Kriterium die Verknüpfung mehrerer Teileigenschaften, die erst zusammengenommen die Feststellung einer Kultur erlauben. Diese entscheidende Voraussetzung drückt auch K. FRERICHS in seiner, für diesen Zweck natürlich wesentlich  genaueren, Definition aus, wenn er sagt:

Unter einer "Kultur" begreifen wir die Gesamtheit der individuellen Verhaltensweisen und Produkte einer Menschengruppe,  deren Mitglieder überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, in den verschiedenen  Lebensbereichen den schon entwickelten und tradierten Gruppenregeln folgen.
(
FRERICHS 1981, 123)

Mit der nun anzuschließenden Frage: Wie läßt sich eine Kultur archäologisch erfassen? (dergl.,  S. 122) kommt K. FRERICHS zu dem Schluß:

Bei begrenzter und einseitiger Quellenlage (z.B. keine oder sehr geringe Siedlungsfunde) ist es daher völlig unzulässig,  von "Kulturen" zu sprechen.
(a.a.O.)

Diese strenge Musterung  der fachlichen Anwendung terminologisch festgelegter Begriffe wird nur dann verständlich, wenn man sich vor Augen führt, daß das gesamte archäologisch erfaßbare Material schon per se eine sehr starke Reduktion gegenüber der  ehemaligen Gesamtkultur einer menschlichen Population aufweist. Wenn dann  noch zusätzlich eine oder mehrere der möglichen Fundkategorien von vornherein für eine Untersuchung ausfallen, wie hier die Siedlungsfunde, kann die  Grundbedingung, eine "Gesamtheit der Lebensäußerungen" aus unterschiedlichen  Teilsystemen zusammenzusetzen, nicht mehr erfüllt werden.

Daraus bestätigt sich  die bereits in der Diskussion des Forschungsstandes, dort aber noch nicht  genauer begründete, kritische Beurteilung der begrifflichen Gleichsetzung  der Älteren Bronzezeit Nordost Niedersachsens mit einem Kulturkreis des Lüneburger Raums , wobei diese terminologische Ungenauigkeit überdies auf rein formenkundlichen Überlegungen beruhte (s. Abschn. 1.4.2).

Für die folgende Untersuchung  wird davon ausgegangen, daß der Terminus Formenkreis die unterste Ebene der kulturhistorischen Benennungsmöglichkeiten darstellt. Diese Basis ergibt sich aus der bisherigen Bearbeitung, da in den Leithorizonten,  d.h. in der Menge der in ihnen enthaltenen Leittypen, zeitlich und räumlich  getrennte Formenkreise vorliegen. Es soll nun überprüft werden, ob sich  für einzelne oder mehrere davon übereinstimmende menschliche Verhaltensweisen erschließen lassen, die, als Kultur-Indizien gewertet,  zu der formalen Ansprache von Sittenkreisen führen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[4.2] Mensch und Umwelt

 

 

 

 

 

Die hier zu betrachtenden  Wechselbeziehungen zwischen dem "prähistorischen" Menschen und seinem naturräumlichen Umfeld beruhen darauf, daß der Mensch zur Befriedigung  seiner Lebensbedürfnisse darauf angewiesen ist, die angetroffenen Gegebenheiten  in vielfältiger Art und Weise zu nutzen. Abgesehen davon, daß er selber  Veränderungen durch aktive Eingriffe initiiert, wie dies in Abschnitt 2.3 angesprochen wird, reagiert er  aber auch auf andere natürliche Vorbedingungen, die er nicht umgestalten  will oder kann.

 

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[4.2.1] Lagebedingungen der Grabbauten

 

 

 

 

 

 

Der einzige Nachweis aktiven Handelns ehemaliger Menschengruppen wird durch die Grabanlagen der Älteren Bronzezeit erfaßt.

Im Bild der Gesamtverbreitung  fällt auf, daß sich die meist in Grabhügelfeldern zusammenliegenden Bestattungsbauten stark am Gewässernetz des Arbeitsgebietes orientieren, wobei berücksichtigt werden muß, daß wegen der starken Generalisierung der Karten die kleineren  Bachläufe nicht erfaßt sind. Doch weist z.B. auch K.L. VOSS (1965, 343 für FO-Nr. 112, Wittenwater, Kr. Uelzen; 1974, 70 für FO-Nr. 155, Bonstorf, Kr, Celle) auf die Nähe zu einem Wasserlauf, bzw. zu einer Talmulde mit Quelltopf, hin. Besonders extrem wird diese Anbindung am Beispiel des mittleren Luhelaufes ersichtlich, wo aus dem dazu östlich gelegenen Bereich, der vermehrt Trockentäler aufweist  (vgl. S. 24) keine Fundorte bekannt sind. Zur weiteren kleinräumigen Situationsananlyse fehlen entsprechende Informationen, es kann nur allgemein vermerkt werden,  daß die Grabbauten häufig in mittleren und oberen Hanglagen positioniert sind.

Welche Kriterien können  nun zur Auswahl dieser Bestattungsplätze geführt haben?

Den interessantesten Hinweis darauf gibt K.L. VOSS in seinem obigen Beitrag zu den Grabungen bei Wittenwater, Kr. Uelzen:

Es [das Fundgelände; Anm. MN] hält sich streng an  die Grenzen einer diluvialen Sand und Kiesablagerung, die inselartig rings von fetteren Geschiebelehm und Flottsandböden umgeben ist. ... Als Bestattungsplatz während eines langen Zeitraums.vom Ende des Neolithikums bis um Christi  Geburt dürfte sich das Gelände wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Nutzbarkeit - Ödland inmitten mäßig schwerer Ackerböden und am Rande feuchten Weidelandes in der Talaue - geradezu angeboten haben.
(
VOSS 1965, 343)

Wenngleich diese besonders deutlich heraustretenden geologisch-pedologischen Lageplatzbedingungen  kaum als allgemeingültig vorausgesetzt werden können, so bleibt jedoch  der Umstand bemerkenswert, daß dieses Gräberfeld, welches im Übergang  vom Endneolithikum zur Älteren Bronzezeit erstbelegt wurde, einen Bereich  einnimmt, dessen geringer Nutzwert (Landwirtschaft s. Pollenanalyse) durch  die Anlage von Grabstätten nicht weiter beeinträchtigt wurde. Wenn man dies als Indiz für ein Verhaltensmuster einer menschlichen Gruppe wertet  und weiterhin berücksichtigt, daß relativ häufig soweit bodenkundliche Phänomene in archäologischen Untersuchungen Beachtung fanden unter synchronisierbaren  Grabhügeln gekappte Podsole dokumentiert sind, dann kann daraus erschlossen  werden, daß die Menschen, die während der Älteren Bronzezeit lebten, nicht nur schon längerfristig bestehende, mit einer CallunaHeideVegetation versehene  und nicht von Wald bedeckte Landschaftsräume vorfanden (vgl. Abschn. 2.3), sondern daß sie gerade die Flächen mit diesem nährstoffarmen Bodentyp  (vgl. Abschn. 2.2.3) bevorzugt als Standorte zur Errichtung von Grabbauten verwendeten.

Die Bildung der Vegetationsfreiflächen wird mit großer Wahrscheinlichkeit als Resultat neolithischer Siedlungstätigkeit angesehen (vgl. VOSS 1965, 343-351),  ihr anschließendes Ausscheiden aus dem natürlichen Prozeß der Wiederbewaldung kann nur Ausdruck einer zeitunabhängigen, ähnlichen Bewirtschaftungsweise  sein (s. Abschn. 2.3).

 

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[4.2.2] Naturraum und Besiedlungsverhalten

 

 

 

 

 

 

In den zusammenfassenden Kartierungen von naturräumlichen Strukturen und der Quellenlage (s.Karte  10 und Karte 19) lassen sich einige augenfällige Verbreitungsmuster erkennen.

Von einer Besiedlung ausgeschlossen sind, bis auf wenige punktuelle Ausnahmen, die insbesondere  auf denGeneralisierungszwang für Karten dieses Maßstabes zurückgeführt werden müssen, die breiten, von Elbe bzw. Aller und Weser durchflossenen  Urstromtäler sowie die, den zur Verfügung stehenden Raum weiter einengenden, feuchten Niederungsgebiete. Ähnlich sieht die Fundortverteilung im Bereich  der Hohen Geest aus, wobei im Hinblick auf das Lüßplateau und die Göhrde damit zu rechnen ist, daß hier ehemalige Verhältnisse repräsentiert werden,  wohingegen im Kreis Gifhorn eine geradezu extreme Forschungslücke vorliegt.

Damit kann vermerkt  werden, daß sich der eigentliche Besiedlungsraum auf die Bereiche beschränkt, deren naturräumliche Merkmale mit dem Begriff Niedere Geest verknüpft werden können. Die darüber hinaus vorhandenen Fundpunkte verweisen auf die wohl gleichermaßen wichtige Bindung an Lehm oder Sandlößböden  als dazukommende Lagevoraussetzung, welche eindeutig eine Vorzugsstellung gegenüber Standortbereichen mit sandigen Substraten einehmen. Dies wird  durch die Grabfunde, die hier in vorwiegend Sande aufweisenden Gebieten  kartiert sind, eher noch bestätigt, da sich in deren Nähe meist auch lehmigere  Bodenarten nachweisen lassen, andererseits muß aber auch bedacht werden,  daß sich die Qualität dieser Böden nicht mit heute bestehenden Verhältnissen  vergleichen lassen muß (s. Abschn. 2.3). Mit gewisser Vorsicht soll die,  in den Verbreitungsdaten einige Hinweise findende, Hypothese aufgestellt  werden, daß gerade in den frühesten Leithorizonten (vgl. Karten 13/14) eine stärkere Beziehung zu Sandlößflächen besteht, eine genauere Analyse  der speziellen Lagebedingungen muß jedoch einer kleinräumigeren Untersuchung  vorbehalten bleiben.

Diese Reaktionen ehemaliger  Menschengruppen auf die naturräumlichen Voraussetzungen des Arbeitsgebietes  verweisen mit einiger Deutlichkeit auf eine vorwiegend agrarisch betonte  Landschaftsnutzung, die in der Besiedlungsstruktur zum Ausdruck kommt und für die bereits im vorangehenden Abschnitt verschiedene Indizien zusammengefügt werden konnten. Dabei bildet das Vorhandensein von offen fließenden Gewässern  zur Trink- und Brauchwasserversorgung den, die räumlichen Ausdehnungsmöglichkeiten in Teilgebieten mit ansonsten ähnlicher Struktur, begrenzenden Faktor.

Hinweise auf räumliche Kontakte, die sich im Bild der Leittypenähnlichkeiten zwischen den beiden wichtigsten Regionalbereichen der Süd und der Nordheide  widerspiegeln, bestehen darin, daß die Fundorte im Bereich der Hohen Heide und der sich südlich anschließenden Sanderflächen in ihrer Anbindung an die Oberläufe von Böhme und Luhe einer geographischen Leitlinie zur Überquerung  der Hauptwasserscheide zu folgen scheinen, die wegen der relativ günstigen Reliefbedingungen übrigens auch in moderner Zeit für die Streckenführung  der Eisenbahnverbindung zwischen Fallingbostel/Bergen über Soltau nach  Winsen bzw. Lüneburg genutzt worden ist (vgl. SCHRADER 1965, o.S., Abschn. III B, a) zu Karte Nr. 66). Interessant ist in diesem  Zusammenhang auch, daß aus Südbostel, Kr. Fallingbostel (Hügel 1, Best.  2), FO-Nr. 168, der bislang einzige Nachweis für Metall-, d.h. Bronze-, Verarbeitung im südlichen Teil des Arbeitsgebiets durch den Beifund eines Gußtiegels (vgl. ähnliche Keramiken als Funktionstyp aus Robenhausen-Wetzikon, Schweiz, bei WINIGER 1971, Tf. 79) belegt ist.

 

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[4.3] Befundanalyse

 

 

 

 

 

 

In der obigen Synthese konnten ganz allgemein Merkmale menschlicher Aktion und Reaktion im Verhältnis  zu seiner natürlichen Umwelt festgestellt werden, die sich an bestimmte ökonomischökologische Regeln zu halten schienen. Es gilt jetzt anhand der archäologischen Quellen zu prüfen, ob sich auch in diesem von menschlicher  Interaktion geprägten Bereich Regeln und Normen erkennen lassen, die Ausdruck  eines mehrfach übereinstimmenden Individualverhaltens in einem zeitlich  und räumlich zu differenzierenden Gruppengefüge sind.

 

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[4.3.1] Beigabensitte

 

 

 

 

 

 

Gruppengepflogenheiten,  die auch als Sitten oder Bräuche bezeichnet werden, sind hauptsächlich dafür verantwortlich zu machen, mit welchem Habitus ein totes Gruppenmitglied  bei seiner Grablegung ausgestattet wird. Bei den erhaltenen und damit archäologisch erfaßbaren gegenständlichen Beigaben kann es sich zum einen um per sönliche Besitztümer des bestatteten Individuums oder um zusätzlich bzw. ersatzweise beigegebene Objekte handeln. Die spezielle Auswahl oder  Veränderung gegenüber dem sozusagen tagtäglichen Habitus dieser Person ist eine Entscheidung der die Bestattung vollziehenden Gruppenangehörigen,  wobei unter anderem auch die Beachtung einer Willenserklärung im Sinne  einer testamentarischen Verfügung an eine gruppenspezifische Norm gebunden ist.

 

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[4.3.1.1] Tracht

 

 

 

 

 

 

Trachtsitten lassen  sich vornehmlich bei den Frauengräbern der Älteren Bronzezeit erkennen, wie schon die dafür repräsentative Zusammenstellung der geschlechtsspezifisch sortierten Grabinventare in der zeitlich und räumlich geordneten Leithorizontabfolge (s. Tab. 2) zeigt. Die dort aufgeführten Leittypen der jeweiligen Horizonte bedürfen zur Verdeutlichung von Trachtkombinationen einiger Erläuterung.

bullet

Bei den in ihrer Typenzusammensätzung  recht ähnlichen Zeitgruppen A/w und C/w gelten folgende Übereinstimmungen (vgl. KUNTER 1974, passim):

Rad- und Scheibennadeln treten immer nur als Einzelstücke  auf, sie liegen in gesicherten Fundzusammenhängen meist schräg auf dem  oberen Brustbereich der Bestattungen.

Dagegen sind Stollenarmbänder in der Regel paarig  vorhanden, zu den breiteren Stollenarmbändern mit hervorgehobener Mittelrippe  findet sich häufig ein einzeln getragener Beinring. Diese Kombination wird in einigen Fällen zusätzlich durch einen oder zwei Armringe erweitert.

Stachelscheiben liegen immer nur in mehrfacher Anzahl  vor, einige Male gleichen sich miteinander vergesellschaftete Stücke so sehr, daß auf dieselbe Gußform geschlossen werden muß. Ihre Befundsituation  auf dem Brustteil der Toten verweist auf eine Trageweise als Anhänger  einer Kette oder aufgenäht auf einen Umhang.

Schmuckscheiben finden sich in vergleichbarer Fundposition ebenfalls im Bereich des Oberkörpers, sie dienen gesichert als Kleidungsbesatz, werden jedoch auch als Einzelstücke an Halsketten aus Spiralröllchen getragen,  wobei sie bei Vergesellschaftung mit Stachelscheiben als Mittelstück aufgezogen sind. Als Ausnahme muß der Fund von Hollenstedt, Kr. Harburg (FO-Nr. 24),  genannt werden, wo eine große Schmuckscheibe mit Spiralverzierung (Horizont C/w) im Lendenbereich der Bestattung vorgefunden wurde (KRÜGER 1935, 197), was darauf schließen läßt,  daß sie in diesem Fall am Gürtel befestigt gewesen sein mag.

In allen drei frühen Zeitgruppen (A/w, B/w, C/w) kommen, teilweise in sehr großer Anzahl, kegelförmige Hütchen, Bronzeblechröhrchen und Spiralröllchen vor, wobei verschiedene Befunde auf eine Verwendung für den Besatz von Umhängen und von Kopfbedeckungen verweisen (vgl. LAUX 1984a). Aus diesen Daten zur Kombination  und Trageweise muß gefolgert werden, daß hier eine weitgehend homogene  Trachtsitte erfaßt wurde, die besonders im Leithorizont B/w stark ausgeprägt ist.

bullet

Den jüngsten Leithoizont D/w kennzeichnet eine davon zu unterscheidende typische Beigabenvergesellschaftung. In Tabelle 2 fand zur Darstellung der Leittypenkombination ein Teil des Gesamtinventars des Fundes aus Deutsch Evern, Kr.  Lüneburg, Hügel 17, Best. 4 (FO-Nr. 59) Verwendung, an dem sich auch die entsprechende Tracht exemplarisch aufzeigen läßt:

Neben den beiden leiterbandverzierten Halsringen,  der Haarknotenfibel (Ähnlichkeit zu B/w) und der großen Spiralplattenfibel kommen zwei Manschettenarmbänder vor, von denen nur  eins wegen der weitgehenden Ähnlichkeit abgebildet wurde. Die auf der Außenseite völlig verzierten Beinringe besitzen pro Garnitur übereinstimmende  Muster und werden auch bei kleinerer oder größerer Gesamtzahl immer an  beiden Fußgelenken getragen (vgl. LAUX 1974, 24). Dazu treten hier noch zwei Bronzeknöpfe mit unterseitiger Öse, wie sie auch schon in vergleichbarer Form in den anderen Zeitgruppen vergesellschaftet sind.

Diese sehr verschiedene Ausstattungsweise, bei der u.a. belegt werden kann, daß die im Grab aufgefundenen Gegenstände wahrscheinlich ab einem bestimmten Lebensalter ständig getragen wurden (s. LAUX 1974, 24/25),  läßt ebenfalls eine eigenständige Trachtsitte erkennen, wobei in der chronologischen  Bearbeitung ein zeitlicher Kontakt vorliegt.

bullet

Der regionale Formenkreis  Nordwest ist im Hinblick auf eine bestimmte Tracht kaum zu erfassen, da sich in den wenigen Quellen keine als wirklich repräsentativ zu bezeichnenden Gemeinsamkeiten, d.h. Regeln, herausschälen. Jedoch  liegen einzelne, als Trachtmerkmale zu wertende, Hinweise vor:

Zum einen sind ähnliche, aber doch verschiedene  Leittypen (s.Abschn. 3.4.1) im Vergleich zur letztgenannten Zeit-und Trachtgruppe  vorhanden, zum anderen fällt die Beigabe von Dolchen in Frauengräbern  auf (vgl. Abschn. 3.3.2).

Wenn man daraus schließt, daß in diesem Raum Menschen  einen z.T. vergleichbaren Gesamtformenschatz in anderer Weise nutzten,  was durch die räumlich wahrscheinlich zu machende Zuordnung des eben als Ausnahme genannten Grabes von Hollenstedt auch in der Trageweise bestimmter Objekte zum Ausdruck käme, ist die Annahme einer eigenständigen Trachtsitte durchaus zulässig.

Insgesamt können also  drei Trachtsittenkreise erkannt werden, die einmal in  einem zeitlichen, ein andermal in einem räumlichen Verhältnis zueinander stehen.

 

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[4.3.1.2] Bewaffnung

 

 

 

 

 

 

Die Bewaffnungsweise,  die quasi als Tracht der Männer zu gelten hat, ist ebenso ein typisches Erkennungsmerkmal für bestimmte Regeln, der Mitglieder einer menschlichen Gruppe in relativer Übereinstimmung folgen (s.o.). Wie im  vorhergehenden Abschnitt wird wieder die chronologische Leittypen-Tabelle zur Veranschaulichung herangezogen (Tab. 3). Sehr wohl das Problem erkennend, daß zum Beispiel Dolche oder Beile auch einen anderen Nutzwert gehabt  haben können, als der intraspezifischen Aggression zu dienen, sollen diese Objektgruppen hier dennoch einbezogen werden.

bullet

Im frühesten LeithorizontA/m, dem oben keine Frauengräber synchronisiert werden  können, besteht eine alternative Kombination aus einem sog. Kurzschwert mit einem Dolch oder einem Kurzschwert und einem Randleistenbeil. Aus allen hierzu gehörenden Gräbern sind herzförmige Silexpfeilspitzen bekannt.

bullet

Die Bestattungen der Horizonte  B/m, C/m und E/m weisen in mehr oder weniger  häufigem Maße vergleichbare Pfeilspitzen auf. Außerdem wird eine Übereinstimmung in der regelhaften Vergesellschaftung von Absatzbeilen und Dolchen ersichtlich.

bullet

Bei den drei Zeitgruppierungen des nördlichen Bereichs (F/m, G/m, H/m) sind Pfeilspitzen dieses, wenig prägnanten, Typs nur aus jeweils einer der zugehörenden Bestattungen bekannt.

bullet

Aus der nur wenig einheitlichen  Ausstattung des Horizontes D/m läßt sich eine Kombination  aus einem sog. Kurzschwert oder einem Dolch mit einem Beil (Absatz oder  geknicktes Randleistenbeil) entnehmen, in einem Fall (Essel, Kr. Stade, FO-Nr. 41) wird diese Teilmenge durch eine Lanzenspitze und den Zusammenfund von einem Kurzschwert (in D/m mit einer das Schneidenteil  halbrund umfassender Griffplatte) und einem Silexdolch erweitert.

bullet

In Leithorizont F/m ergibt sich als die, weniger als Bewaffnung denn als Tracht zu bezeichnende, typische Zusammensetzung von einer Lanzenspitze mit einer Nadel mit doppelkonischen Kopf, was sich bei gering anderer Nadelform in G/m insofern wiederholt, als daß dort zusätzlich ein sog. Kurzschwert (hier:  mit durchbrochener Griffzunge) hinzukommt.

bullet

Die Gräber des Horizontes H/m der Nordwest-Region beinhalten nie Pfeilspitzen, ihre gemeinsamen  Bewaffnungsmerkmale bestehen aus Dolch und Schwert, statt des Dolches  treten auch Absatzbeile auf.

Zusammenfassend lassen sich vier Bewaffnungssittenkreise erkennen, von denen  drei in zeitlicher Abfolge liegen, nämlich erst A/m,dann B/m, C/m und E/m und folgend F/m und G/m. Die Gruppe D/m ist wegen der Ersetzungsmechanismen zwischen Kurzschwert  und Dolch als weitgehend ähnlich zu B/m ,C/m ,E/m zu  stellen. Leithorizont H bildet in räumlicher Hinsicht einen parallelisierbaren eigenen Bewaffnungssittenkreis.

 

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[4.3.2] Bestattungssitte

 

 

 

 

 

 

Auch in der Art und  Weise, ob und wie Gräber angelegt, Bestattungen durchgeführt oder Gräber kenntlich gemacht werden, spiegeln sich gruppenspezifische Gepflogenheiten der Menschen, die diese Maßnahmen ergreifen.

Zur Rekonstruktion von Regeln solcher Art dienen Befunde, die die Gestalt und Ausgestaltung  von Grabstätten erfassen. Die Durchführung einer Analyse zu diesen Fragen ist in starkem Maße davon abhängig, ob solche Befunde erkannt und dokumentiert  worden sind und ob die erreichte Anzahl von gleichwertigen Informationen  für eine zeitlich und räumlich differenzierende Diskussion repräsentative  Aussagen erlaubt. Die Gesamtmenge der hier untersuchten Quellen ist dabei  der der geschlossenen Funde identisch, die chronologisch sortiert werden konnten, während der vorangehende Abschnitt nur auf deren Teilmenge der  visuell vergleichbaren Funde aufbauen mußte.

 

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[4.3.2.1] Bestattungslage

 

 

 

 

 

 

Da bereits oben die  Lage der Bestattungsplätze ausführlich diskutiert wurde, soll jetzt die  Lage der Bestattungen im Hügel selbst untersucht werden. Die Frage gilt einer eventuellen Häufung von ähnlichen Merkmalen, wobei der Forschungsstand diese in entscheidendem Maße begrenzt, da nur zweidimensionale (d.h. auf  eine horizontale Ebene bezogene) Aussagen zu zentral oder dezentral in  einem Hügel gefundenen Grablegungen, bzw. zu solchen in halbkreisförmig begrenzten Apsiden, als tabellarische Basis zusammengefaßt werden können.

Diese Daten werden in der nachstehenden Tabelle (Tab. 5) nach gesamtchronologischen Gesichtspunkten  und unterteilt nach Frauen- oder Männerbestattungen aufgegliedert:

 

zentral

dezentral

Apside

fragl.

o. Angabe

Zeilensumme

E/w

2

0

0

2

2

6

D/w

3

3

0

5

5

16

C/w

1

1

0

1

8

11

B/w

8

9

2

10

13

42

A/w

1

6

0

4

6

17

Zw.-Sum. /w

15

19

2

22

34

87

H/m

0

1

0

2

2

5

F/m+ G/m

3

3

0

4

6

16

D/m

5

1

0

2

3

11

E/m

3

1

0

5

10

19

C/m

7

0

1

2

9

19

B/m

2

1

0

4

5

12

A/m

2

0

0

2

1

5

Zw.-Sum. /m

22

7

1

21

36

87

Gesamt

37

26

3

43

70

179

[Tab. 5] Relative Bestattungslage im Hügel

 

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Bei der hohen Zahl der nicht genau bestimmbaren Lagebedingungen fällt es schwer, übereinstimmende  Beziehungen zu erkennen. Zumindest scheint aber eines zu gelten:

Im System sind mit sicheren Daten 36 weibliche und 30 männliche Bestattungen vorhanden. Unter der Voraussetzung, daß keine bestimmten Affinitäten zu der Bevorzugung einer der beiden relativen Positionen führten, müßten sich die Gräber beider Geschlechter gleichmäßig auf beide  Lagebedingungen verteilen. Tatsächlich besteht jedoch ein großer Unterschied:

·        21 der  Frauengräber, d.h. ca. 60%, liegen dezentral bzw. apsidial,

·        22 der  Männergräber, d.h ca. 75%, liegen zentral.

Daraus muß eindeutig geschlossen werden, daß hiermit gewisse Bevorzugungen ausgedrückt werden.  Bei genauer Betrachtung der obigen Tabelle ist zu ersehen, daß sich dieses  Ungleichgewicht. aus den Zeitgruppen A/w +B/m, B/w  +C,E/m und C/w +D/m herleitet, die auch in der  bisherigen Befundanalyse Gemeinsamkeiten zeigten. Ohne hier im vollen Maße von einem erkannten Sittenkreis zu sprechen, muß  dieses Ergebnis zumindest als deutliches Indiz für einen in diesen Horizonten ähnlich vorhandenen Bestattungsbrauch gewertet werden.

 

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[4.3.2.2] Bestattungsorientierung

 

 

 

 

 

 

Bei der Anlegung eines Grabes kann auch die Auswahl bestimmter Himmelsrichtungen für die räumliche  Orientierung der Bestattung von gruppenspezifischen Verhaltensnormen bestimmt  sein, was sich aus der Bevorzugung einzelner oder weniger Ausrichtungen aus der Menge der möglichen Lagen für Körpergräber erschließen läßt.

Vor allem für das  Endneolithikum und die Frühbronzezeit sind, ausgehend von der Bearbeitung  des Saalegebietes durch FISCHER (1956), gruppendifferenzierende Skelettlagekombinationen  erkannt worden, - übrigens spielt dieser Befundtypus auch eine entscheidende Rolle bei der Unterscheidung von "heidnischen" und "christianisierten" Individuen und Populationen in der Völkerwanderungszeit und dem Frühmittelalter  - . Nach der Zusammenfassung von PAPE (1978, Tab. IV, VI) gelten im obigen zeitlichen Bereich zum Beispiel folgende, mit bestimmten Inventarzusammensetzungen verknüpfte, regelhafte Orientierungssitten  (Kopfposition unterstrichen):

Aunjetitz (Flachgräber + Hügelgräber):

·        Frauen  u. Männerbest.: S-N, rechtsseit. Hockstellung

Glockenbecher (Flachgräber):

·        Frauenbest. = S-N, rechtsseitige Hockstellung;

·        Männerbest. = N-S, linksseitige Hockstellung

Schnurkeramik (Hügelgräber):

·        Frauenbest. = O-W, linksseit. Hockstell. od. Rückenlage;

·        Männerbest. = W-O, rechtsseit. Hockstell. od. Rückenlage

Damit wird es besonders  interessant, das eventuelle Vorliegen ähnlicher Phänomenefür die Ältere  Bronzezeit im Arbeitsgebiet zu untersuchen, wozu nachfolgende Tabelle  6 in chronologisch-räumlich differenzierter Form (vgl. Tab. 4, Tab. 5) angefertigt wurde.

 

W-O

WSW-ONO

SW-NO

S-N

NW-SO

andere

o.Ang.

Zeil.-Sum.

E/w

2

2

0

0

0

1

1

6

D/w

7

0

1

0

1

0

7

16

C/w

4

2

1

0

0

0

4

11

B/w

7

1

11

0

0

2

20

41

A/w

3

1

1

4

0

0

9

18

Zw.-Sum. /w

23

6

14

4

1

3

41

92

H/m

2

0

0

0

0

0

3

5

F/m+G/m

7

1

1

0

0

1

7

17

D/m

2

0

1

2

2

1

3

11

E/m

3

1

3

0

2

1

10

20

C/m

6

1

0

0

2

1

10

20

B/m

2

0

1

1

2

0

6

12

A/m

4

0

0

0

1

0

0

5

Zw.-Sum. /m

26

3

6

3

9

4

39

90

Gesamt

49

9

20

7

10

7

80

182

[Tab. 6] Bestattungsorientierung

 

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Leider beeinträchtigt  wieder der Dokumentationsstand eine repräsentative Auswertung, der Anteil  der insgesamt interpretierbaren Daten liegt nur bei 55 %. Zusätzlich ist es nicht möglich, Aussagen über eine, vielleicht.unterschiedlich gehandhabte Körperrichtung durch die Feststellung der Kopfposition zu erarbeiten, da die Datenqualität dafür nicht ausreicht (vgl. PIESKER-Grabungen, Abschn.3.3.1.1).

Insgesamt werden W-O-Orientierungen  bevorzugt, dies wird besonders für die Leithorizonte A/m und D/w, F/m+G/m deutlich, kann aber auch für den Horizont E/w, H/m (Nordwest-Region) als wahrscheinlich  erachtet werden. Bei den weiteren Zeitgruppen wird diese ebenfalls beobachtete  Körperlage um eine alternative Züge aufweisende Ausrichtung erweitert, bei der in NW-SO-Situation nur Männerbestattungen auftreten, während bei  den Frauenbestattungen eine auffällige Häufung der dazu kreuzförmig angeordneten  SW-NO Richtung in Horizont B/w zu beobachten ist.

Mit diesen Ergebnissen gehen also vier Orientierungssittenkreise aus der Untersuchung hervor, da die einzig oder fast auschließlich W-O-bestattenden Gruppen zeitlich oder räumlich zu trennen sind.

 

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[4.3.2.3] Bestattungsform

 

 

 

 

 

 

Mit diesem Terminus  ist die Frage verknüpft, in welchem körperlichen Zustand das zu bestattende Individuum beerdigt worden ist, da gerade oben nur Körperbestattungen  behandelt wurden. Neben diesen, die in Särgen gelegene Körper einschließen, ergeben sich aus den Befunden auch eine Reihe von Brandbestattungenin  unterschiedlicher Form, so daß geprüft werden muß, ob sich darin unterschiedliche kulturelle Verhaltensweisen ausdrücken.

Aus der Untersuchung ergeben sich folgende, nach Leithorizonten zusammengefaßte Merkmale:

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A/m
Neben Baumsargbestattungen ist einmal die Anlage eines sog. "Totenhauses"  erfaßt, in der der Tote vor der Niederbrennung des Gebäudes (?) mit einer Lehmschicht überdeckt und somit nicht im eigentlichen Sinne mitverbrannt  wurde (Baven, Kr. Celle, FO-Nr. 163).

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A/w, B/w; B/m, C/m, E/m:
Während bei den Männern nur Baumsargbestattungen bekannt sind, - ein  "Scheiterhaufengrab", in dem aber kein Leichenbrand gefunden wurde und bei dem die Beigaben nicht angeglüht sind (Dorfmark, OT Westendorf,  Kr. Fallingbostel, FO-Nr. 149), ist als Körperbestattung zu werten -,  gibt es bei den Frauen nicht eingesargte Körperbestattungen, Baumsärge  und Leichenbrandfunde. In den Fällen, wo solche Leichenbrandhäufchen am Fußende eines Baumsarges gefunden wurde, handelt es sich  mit großer Wahrscheinlichkeit um mitbestattete Kinder. Bemerkenswert  ist, daß der Anteil der Brandbestattungen (incl. "Kinder"), bezogen auf die Gesamtzahl der Frauengräber pro Leithorizont, mit 20 % (A/w) zu 19,2 % (B/w), fast identisch  ist.

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C/w; D/m:
Bei gleichermaßen zunehmender Steigerungsrate ist hier dieses kennzeichnende Verhältnis, 50% Brandbestattungen bei den Frauen und 22% bei den Männern (zur Gesamtzahl der jeweiligen Gräber mit Befund, s.o.), bezogen auf  den Unterschied bei den bestatteten Geschlechtern, als ähnlich zu der  eben beschriebenen Gruppe zu bezeichnen.

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D/w; F/m+G/m:
Genau umgekehrt sieht es.in diesem Leithorizont aus: nur 20% der weiblichen Bestattungen sind Leichenbrand-Gräber, während 45% der männlichen diesen  Befund aufweisen. Daraus läßt sich eine deutliche Unähnlichkeit zur  vorangegangenen Gruppe erkennen.

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E/w; H/m (Nordwest Region)
Bei den nur wenigen hier zu betrachtenden geschlossenen Grabfunden (6  weiblich; 5 männlich) ist es kaum möglich, von eventuell als repräsentativ  zu geltenden Erkenntnissen zu sprechen. Doch fällt es auf, daß vier  der Männergräber Körperbestattungen sind, wohingegen dies nur für zwei  Frauengräber gilt. Letzteres hängt wahrscheinlich mit dem wiederkehrenden  Befund von "Totenhäusern" zusammen, in denen hier weibliche Bestattungen zusammen mit einem Gebäude (?) verbrannt wurden. Zwei der männlichen Körpergräber lagen in Steinkisten, die im Verhältnis zu allen  anderen Bestattungsweisen Unikate darstellen.

Auch bei diesem Teil der Befundanalyse können wieder die schon bekannten Sittenkreisel erschlossen  werden, die jeweils in sich ähnliche, zu anderen dagegen wenig vergleichbare Merkmale aufweisen.

 

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[4.3.2.4] Hügelbau

 

 

 

 

 

 

Die Reihe der Befunduntersuchungen abschließend, wird ein Versuch unternommen, den Hügelbau auf gruppenspezifische Eigenheiten zu analysieren.

Schon WEGEWITZ (1949, 139) weist darauf hin, daß im  sog. Nordischen Kreis, mit dem er das hier bisher als Formenkreis der Nordwest-Region oder Leithorizont E/w, H/m bezeichnete Gruppenphänomen anspricht, im allgemeinen größere  Hügelbauten vorhanden sind als im sog. Lüneburger Kreis,  der hier den anderen betrachteten Regionen und Leithorizonten (Ausnahme: A/m) gleichzusetzen ist. SIELMANN (1973,  passim) stellt darüberhinaus die Vermutung auf, daß in der Relation der älterbronzezeitlichen Hügel zu denen des Endneolithikums ein gleicher Unterschied besteht (kleiner-größer).

Diese Allgemeingültigkeit  beanspruchenden Behauptungen werden als Hinweis auf ein, sich eventuell  im Materialaufwand der Kenntlichmachung von Grabstätten ausdrückendes,  gruppenspezifisches Befolgen von übereinstimmenden Regeln verstanden,  welche der Überprüfung bedürfen.

Von dem dazu benötigten  Datenmaterial her sind recht gute Voraussetzungen vorhanden, da bei den  meisten der geschlossenen Funde Angaben zur Höhe und zum Durchmesser der betreffenden Hügel vorhanden sind., während andere, den Hügelbau betreffende  Informationen mit Ausnahme der Bodenart des verwendeten Baumaterials,  weitgehend fehlen.

Es ist zu berücksichtigen, daß diese Daten den Zustand zu Beginn oder während der Ausgrabung und nicht den ehemaligen Zustand der Grabbauten beschreiben. Deshalb müssen möglichst alle auf ungleichen Faktoren beruhenden Erhaltungsbedingungen  eliminiert werden. Damit ergibt sich eine Auswahl von Hügeln, die entweder  unter Wald oder auf nicht ackerbaulich genutzten Flächen gelegen haben und die im Material, welches für die Festigkeit der Konstruktion verantwortlich zu machen ist, weitgehend übereinstimmen, d.h. Bodenart: Sande.

Als geometrisch vertretbare  Annäherung an die Oberflächengestalt dieser Hügel wird die Berechnung über das Volumen eines Kugelsegmentes vorgenommen:

V = (pi·h/6)·(3·r²+h²)

Zum Ausschluß von  Minimum- oder Maximum-Extremwerten, d.h. zum Erfassen eines Normbereiches,  wird die sich für den jeweiligen Leithorizont bildende Spannweite der Rauminhalte, wenn möglich, um die jeweils entferntest liegenden Produkte gekürzt und auf Zehnerstelle gerundet. Das Ergebnis ist in einer der Tabelle  4 vergleichbaren Form aufgetragen.

SÜD

NORD

NORDWEST

 

D/w: 50-200 m³

F, G/m: 100-200 m³

E/w: ca. 600 m³

H/m: ca. 400 m³

E/m: 50-120 m³

C/m: 35-120 m³

B/w: 30-160 m³

C/w: ca. 120 m³

D/m: 90-150 m³

 

A/w: 30-90 m³

B/m: 40-70 m³

 

 

A/m: 180-190 m³

[Tab. 7] Hügelvolumina

 

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Der durch Tabelle  7 mögliche Vergleich zeitlicher und räumicher Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten  ergibt folgende Merkmale:

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Frauen- und Männer-Grabhügel der einzelnen Leithorizonte zeigen weitgehend übereinstimmende Volumina.  Damit zeichnet sich eine gewisse Regelhaftigkeit ab.

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Das Bauvolumen der Hügel nimmt innerhalb des engeren chronologischen Rahmens in anscheinend zeitlicher  Abhängigkeit kontinuierlich zu, die älteren Hügel sind in einem gedachten Mittelwertsvergleich kleiner als die jüngeren.

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Während die Werte für die  beiden südlichen Gruppen nur gering um eine gemeinsame untere Grenzmarke schwanken, gilt für den mittleren raumübergreifenden Großhorizont ein  gewisses Einhalten oberer Grenzwerte. Damit können diese Gruppen als  solche mit einer Regel ähnelndem Bauverhalten zusammengefaßt werden.

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Der jüngste Nordhorizont zeigt dagegen eine Volumenverschiebung in höhere Werte.

Da für Horizont A/m eine besondere Zeitgleichheit mit endneolithischen Erscheinungen eingeräumt wurde (s. Abschn. 3.4.3), ist daran zu denken, daß sich damit auch gewisse endneolithische  Baugepflogenheiten widerspiegeln. Damit hätte B. SIELMANNs Vermutung (s.o.) im direkten zeitlichen Verhältnis zur Älteren Bronzezeit als quantitativ bewiesen zu gelten.

Falls die nur zwei von dieser Untersuchung erfaßten Hügel der Nordwest-Region eine gewisse Repräsentanz für eine damit erfaßte Gruppe besitzen, gilt dasselbe auch  für die Äußerung von W. WEGEWITZ (s.o.).

Auch in dieser letzten Teilanalyse können in der Betrachtung des Bauvolumens von Hügelgrabanlagen die gleichen vier trennbaren Sittenkreise erkannt werden, die in der Untersuchung immer deutlicher hervortraten. Der Schluß auf organisierte Menschengruppen  gilt umsomehr, wenn man sich vor Augen führt, daß als Tagesleistung einer Person die Bewältigung von ca. 1 m³ an Materialaushub und -aufschüttung  angesetzt werden kann.

 

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[4.4] Zusammenfassung der Kulturmerkmale

 

 

 

 

 

 

Da eine oder mehrere Kulturen im strengen terminologischen Sinne dieses Begriffs  in dem betrachteten Zeitabschnitt der Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen nicht kenntlich gemacht werden können, liegen durch die Diskussion von  unterschiedlichen, parallel zu wertenden oder aufeinander aufbauenden Befundinformationen Kulturindizes vor, die als Sittenkreise anzusprechen waren.

 

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[4.4.1] Grabsittenkreise

 

 

 

 

 

 

Durch das sowohl zeitlich  als auch räumlich Parallelitäten zeigende Verhalten in den geschlechtsspezifisch getrennten Tracht und Bewaffnungssitten können diese in analoger Anordnung zu Beigabensittenkreisen komprimiert werden. Gleichlautende  Beziehungsgefüge zwischen den Formenkreisen der Leithorizonte ergeben  sich auch aus den Einzeluntersuchungen zur Bestattungssitte, so daß diese  als Bestattungssittenkreise ersichtlich werden. Die übereinstimmenden  Strukturen der Beigabensittenkreise und der Bestattungssittenkreise berechtigen  zu der, im Verhältnis zur Quellenlage höchstmöglichen kulturellen Wertung  in Form von Grabsittenkreisen.

Die unterschiedliche Qualität im jeweils erreichten Aussagewert zur Kennzeichnung der insgesamt  vier erschließbaren Grabsittensysteme führt zu der Einschränkung, daß  im Arbeitsgebiet allein zwei dieser Grabsittenkreise ausreichend repräsentiert sind. Die mit den jeweiligen Leithorizontsummen verknüpften,  jeweils als weitgehend kulturidentisch aufzufassenden, Normensysteme können wie folgt zusammengefaßt und benannt werden:

A/w, B/w,  C/w, B/m, C/m, D/m, E/m = Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide

D/w, F/m+G/m = Grabsittenkreis der nördlichen Lüneburger Heide.

Sie werden als die Kulturgefüge angesehen, die die Ältere Bronzezeit dieses Raumes verkörpern.

Der zeitlich davorliegende Horizont A/m kann, da davon ausgegangen werden muß, daß  in seinem nur lokalen Auftreten innerhalb des Arbeitsgebietes nicht das  räumliche Zentrum dieser kulturellen Erscheinung erfaßt worden ist, deshalb hier nur recht vage in Verbindung zu den auffälligsten Leittypen (s.o.)  als Sittenkreis Sögel-Wohlde bezeichnet werden. Entsprechendes  gilt für den nur allgemein erfaßbaren Horizont der Nordwest-Region, der  in einen Zusammenhang mit dem sog. Nordischen Kreis zu  bringen ist (s.o.), womit die Benennungsmöglichkeit vorgegeben scheint.

 

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[4.4.2] Einfügung der Hortfunde

 

 

 

 

 

 

Nachdem die kulturelle Wertung der Grabfunde abgeschlossen ist, können nun die geschlossenen  Hortfunde in das erarbeitete System eingegliedert werden. Eventuell  ist auch bei ihnen an das Vorliegen einer Sitte zu denken.

Die drei Horte aus Becklingen (FO-Nr. 153), Offen-OT Bollersen (FO-Nr. 179) und Esterholz (FO-Nr. 184) beinhalten ausschließlich weibliche Trachtgegenstände, die dem Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide zuzuordnen  sind.

In den gleichen kulturellen  Zusammenhang gehören die beiden gesicherten Schmuckscheibenhorte aus Karwitz (FO-Nr. 98) und Molzen (FO-Nr. 110), sie verweisen mit ihren Inventargegenständen eindeutig auf den Leithorizont C/w.  Auffällig ist dabei die aus dem sonstigen geographischen Verbreitungsraum  (vgl. Karte 16) herausfallende Lage des Hortes von Karwitz. LAUX (1967, 31) verweist bei der Vorstellung  des letzeren Fundes auf einen relativ jungen Zeitansatz durch Verknüpfungsmöglichkeiten mit dem Zeithorizont des nördlichen Grabsittenkreises.

Diesem ist der Hort  von Ostedt (FO-Nr. 136) mit den in ihm enthaltenen, ebenfalls als weiblich zu bezeichnenden, Inventargegenständen zuzuordnen, wobei hier auch Leittypen  aus der früheren Gruppe vorhanden sind.

Einen völlig andersartig zusammengesetzten Horttyp vertreten die drei Funde aus Stade-Campe (FO-Nr.  1), Neukloster (FO-Nr. 8) und Wiegersen (FO-Nr. 22), da sie fast ausschließlich  Absatzbeile mit U-förmigem Absatz beinhalten. Von ihren räumlichen Koordinaten her sind sie in den Bereich der Nordwestgruppe einzuordnen. Durch eine einmal (Wiegersen) vergesellschaftet gefundene Schmuckscheibe sind sie den obigen Schmuckscheibenhorten zeitlich zu parallelisieren.

Die einzigen Funde aus dem Gebiet der Lüchower Niederung, die Eingang in diese Arbeit finden konnten, sind wieder drei Horte, die eine völlig verschiedene Zusammenstellung  aufweisen. Sie stammen aus Marwedel (FO-Nr. 88), Bresse i. d. Marsch (FO-Nr. 92) und Tobringen (FO-Nr. 92). Ihre Inhalte werden von sog. Ösenhalsringen,  die auch als eine spezielle Barrenform angesehen werden können, bestimmt.  Ein zeitlicher Vergleich ergibt sich mit dem Hort aus Marwedel, dessen  Randleistenbeile mit denen des Sittenkreises Sögel-Wohlde in Beziehung zu setzen sind.

Damit können die bisher  in den Grabsittenkreisen erkannten Kultursysteme auch durch die Hortfunde erweitert und bestätigt werden. Weiterhin ergibt sich ein Hinweis zur  Erklärung der scheinbaren Fundleere des östlichen Randgebietes, in dem zumindest von einem schwachen, nun auch dokumentierten Einfluß eines kulturell anders strukturierten Gefüges, welches mit dem Marwedeler Fund (vgl. STRUVE 1955, Tf. 32,3 nach FORSSANDER 1936) als Aunjetitzer Grab- und Hortsittenkreis (s.o.;  vgl. PAPE 1978, passim) anzusprechen wäre, ausgegangen werden muß.

 

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[4.5] Kulturhistorische Systeme als komplexe Beziehungsgefüge zwischen  Endneolithikum, Älterer und Jüngerer Bronzezeit

 

 

 

 

 

 

In einer synthetisierenden Gesamtinterpretation können nun die erkannten und bearbeiteten Besiedlungs-  und Kulturindizien zur Erstellung eines komplexen kulturhistorischen Systems  der Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen ausgewertet und gleichzeitig verdeutlicht werden. Dabei wird nicht nur die innere Struktur erfaßt,  sondern auch das Beziehungsgefüge zum Endneolithikum einerseits und zur  jüngeren Bronzezeit andererseits behandelt, wozu im Einzelfall auch zusätzlich bekannt zu machende Phänomene heranzuziehen sind.

Die Betrachtung folgt  dem chronologisch erschlossenen zeitlichen Ablauf.

Das erste Auftreten  einer Gruppe mit einem bronzezeitlich zu nennenden Habitus, welcher durch Grabfunde belegt ist, wurde mit dem Sittenkreis Sögel-Wohlde verbunden. Aus dem lokalen Auftreten dieser Gruppe mußte zum einen auf  eine weitgehende Zeitgleichheit mit dem sog. Endneolithikum geschlossen werden. Zum anderen handelt es sich nach allen verfügbaren Daten um ein kulturelles Gebilde, dessen anzunehmendes Zentrum außerhalb  des Arbeitsgebietes liegt, da anscheinend ein Grenzsaum zum als weitgehend gleichzeitig anzusehenden Aunjetitzer Grab und Hortsittenkreis (s.o.) das Arbeitsgebiet in Nord-Süd-Richtung durchschneidet (vgl. STRUVE 1955, Tf.  2 3 : hier allein Vergleich zw. Sögeler Bronzedolchen und Aunjetitzer Hortfunden). Weiterhin schließt die weitgehende Formen- und Sittenunähnlichkeit  zum Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide die zu bedenkende Möglichkeit aus, daß ein direkter zeitlicher Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen bestanden haben könnte. Damit muß dem SittenkreisSögel-Wohlde eine episodische Stellung im endneolithischen Bereich zugewiesen werden.

Die älteste Phase  des Süd-Kreises scheint also, in Relation zu dem eben gesagten, erst ab einem späteren Zeitpunkt Bronzegegenstände in die Beigabensitte  aufzunehmen, womit sich diese zusammengehörige menschliche Gruppe als eine vorher endneolithischen Charakter habende Population offenbart. Das  drückt sich unter anderem (Silexpfeilspitzen) darin aus, daß gerade im Leithorizont A/w, B/m relativ häufig  Gegenstände auftreten, die als Importe anzusehen sind. Als solche sind beispielhaft zu nennen: Doppelradnadel der sog. Netraer Variante und osthessisches  Stollenarmband (in Frauengräbern), mittelrheinische Lochhalsnadel bzw. süddeutsche Keulenkopfnadel (in Männergräbern) (Objektbenennungen nach: LAUX 1971, passim). Nach H. SCHIRNIG

ergeben sich auch  ... erstaunliche Übereinstimmungen im Grabbau ... zwischen dem Lüneburger  Kreis [hier:  = Grabsittenkreis der südlichen Lüneburger Heide Anm. M. N.] und der  hessischen Gruppe der Hügelgrabkultur.
(
SCHIRNIG/HEINEMANN 1970, 16)

und dies in einem  Hügelgräberfeld (Ripdorf, Kr. Uelzen, FO-Nr. 113), für das, neben der in diesem Zeithorizont feststellbaren Belegung (vgl. Karte 14), überdies  eine zeitlich durchgängig scheinende Errichtung von Grabstätten ab dem Endneolithikum bis in die jüngere Bronzezeit nachgewiesen werden kann (Endneolithikum:s. SCHIRNIG 1971, passim; Jüng. Bronzezeit: s. SCHIRNIG/PETERS 1970, passim). Für die Verbreitungsrichtung eines allmählichen  Überganges von einer endneolithischen zu einer bronzezeitlichen Beigabensitte geht aus den Besiedlungsdaten (Vergleich zw. Karte 14 und Karte 15) ein damit übereinstimmendes Süd-Nord-Gefälle hervor.

Außerdem scheint sich  in der Kartierung ein geschlechtsspezifischer Unterschied im zeitlichen  Vorhandensein von Bronzegegenständen in den Grabfunden des nördlichen  Bereichs zu dokumentieren, indem die Frauentracht anscheinend schneller einer veränderten Mode folgt als die Ausstattung der  Männer; die Existenz solch zeitverschobener Anpassungsphänomene im unterschiedlichen Verhalten von Männern und Frauen kann im folgenden noch weiter belegt  werden. Es muß hierzu einbezogen werden, daß auch im primären Bronze-Aufnahme-Vorgang in der Südheide (s.o.) aus der chronologischen Untersuchung ein Kontrastverhältnis  kenntlich zu machen ist:

Die beiden Männerhorizonte B/m und C/m waren bedeutend schwerer  zu trennen als die entsprechenden weiblichen Gruppen. Die Ermittlung einer  früheren Zeitstellung für B/m ergab sich im besonderen  aus der Feststellung, daß trotz der Unmöglichkeit, klar abzugrenzende  Leittypen zu klassifizieren, Objektähnlichkeiten vorhanden sind, die übereinstimmend  als technische Trends zu werten waren. Die hier unter  dem Gesichtspunkt der Zeitabhängigkeit zu wertende Auflösung der keramischen  Beigabensitte von B/m zu C/m kann nun  als ein, dem obigen weiblichen Phänomen diametral entgegenstehendes, beharrendes Verhalten in der männlichen Beigabensitte gewertet werden, da im Endneolithikum allgemein Grabausstattungen mit keramischen Beigefäßen üblich zu sein  scheinen.

In der folgenden Phase des Grabsittenkreises der südlichen Lüneburger Heide ist die Adaption an den Werkstoff Bronze soweit vollzogen, daß in der  Tracht jetzt die sog. Lüneburger Radnadeln eindeutig  überwiegen, die als raumidentische Produktion anzusehen sind (einflächiger  Herdguß); dazu gehört auch der als zeitähnlich beurteilte Fund eines Gußtiegels  (s.o.). In diesem Horizont B/w; C/m, E/m ist wieder ein Indiz für eine nach oben, d.h. zeitlich junge, geschlechtsspezifisch gestaffelte Grenze zu einem nur vermutbaren  nachfolgenden Zeithorizont festzustellen, da E/m zum Teil mit der deutlich von B/w abgehobenen Zeitgruppe D/w synchronisiert werden konnte, wenngleich das recht deutliche Abbrechen in.der Belegung der hier dokumentierten Grabhügelgruppen durch diesen Grabsittenkreis auf eine, sich nur auf eine relativ kurze  Zeit erstreckende Verschiebung der Männer-Grabsitte deutet. Leider sindfür  den engeren südlichen Bereich keine Weiterbelegimgen in irgendeiner spezifischen Form dokumentiert. Doch muß aus dem oben gesagten gefolgert werden, daß eine gewisse Ablösungsstruktur vorhanden ist, die es ausschließt, daß  in diesem Gebiet eine zeitlich folgende Besiedlungsleere eintritt.

Der mit seinen Sittenstrukturen  synchronisierte nördliche Raum dieses Kreises muß aufgrund der Schmuckscheiben und der zunehmend Brandbestattungen aufweisenden Grabsitte, die als ein  Hinweis für den beginnenden, raum und kulturüberdeckenden Einfluß des  Grabritus der Jüngeren Bronzezeit zu werten ist, als teilweise jüngste Phase dieses Kulturgefüges aufgefaßt werden. Der besonders im Vergleich zu den vorher betrachteten zeitlichen Abschnitten dieses Verhaltenssystems zu beobachtende Unterschied im Verhältnis der Frauen zu den Männerbrandbestattungen  kann aus der bisherigen Diskussion vergleichbarer Phänomene als differierende Norm erklärt gelten.

Das Verhältnis zum Endneolithikum geht aus der schon oben diskutierten räumlich zeitlichen  Ausweitung der Bronze-Beigabensitte hervor, wobei die  feststellbare jüngere Erfassung dieses Raumes nicht als Besiedlungsvorgang mißverstanden werden darf. Chronologisch unsicher ist dagegen die sich eventuell als zeitlich parallelisierbar erweisende Beziehung zu den endneolithischen Brandbestattungen (z.B.: Riesenbecher s. SCHIRNIG 1972, 60-68).

Für den zeitlich daran anschließenden Grabsittenkreis der nördlichen Lüneburger Heide ist nicht nur eine veränderte Leittypenmenge zu beobachten, sondern aus  den deutlichen Unterschieden der gesamten Grabsitte muß ein allgemeines Gelten andersartiger Regeln im Verhalten dieser menschlichen Population abgeleitet werden. Das heißt aber, daß keine oder nur eine sehr geringe  kulturelle Tradition vorliegt, womit kein allmählicher Wandel, sondern eher ein Bruch zu konstatieren wäre (s.u.). Trotz der gerade in einem  Übergangsbereich anzusetzen scheinenden Existenz von Werkstattkreisen (vgl. Schmuckscheiben, s.o.; dazu: LAUX 1974, 25) fällt auf, daß gerade dieser Phase der Veränderung die überwiegende Menge der Hortfunde zuzuordnen sind. Wenn man nun, und das kann mit recht hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen, die Anlage dieser Horte nicht als Ausdruck einer längerfristig bestandhabenden Sitte betrachtet, muß daraus geschlossen werden, daß eventuell ein individuell oder gruppenspezifisch  empfundener Zwang zur Deponierung führte und darüberhinaus gewisse Hindernisse  die Hebung und Verwendung der heute aufgefundenen Objektvergesellschaftungen vereitelten. Eine gewisse Erklärungsmöglichkeit besteht darin, daß anhand  der Sitten und Formenähnlichkeiten zum Kreis der Nordwestregion,  d.h. z um NordischenKreis (Leittypenvergleich:  vgl. KLAMM  1984, z.B. Tf. 321 Nr.4 u. Nr.13, nach: RANDSBORG 1968 u. 1972), eine Veränderung in der Zugehörigkeit zu großräumigen Einflußsphären vonstatten gegangen zu sein scheint, da die vorherige Ausrichtung nach  Süden gut belegt ist. Daß diese Umorientierung nicht schlagartig erfolgte, sondern einen gewissen Zeitraum in Anspruch nahm, belegen die Männer-Leithorizonte,  die über den Leittyp des Absatzbeiles mit U-förmigem Absatz in einem relativen Zeitrahmen synchronisiert werden können. Damit ist wieder das Phänomen der geschlechtsspezifisch zeitversetzten Änderung von Verhaltensregeln erfaßt, welches bei einem abrupt verlaufenem Umschwung nicht aus Kontaktfunden  erkenntlich geworden wäre. Weiterhin ist daraus zu schließen, daß eine  sich in den Gräbern findende, den Raum besiedelnde Population in zeitlicher Ebene fortbesteht.

Das in relativer Zeitspanne  dazu anschließende Verhältnis zur Jüngeren Bronzezeit ist für diesen Grabsittenkreis  durch die nicht weiter nachprüfbare Umwandlung in einen Beigabensittenkreis belegbar (vgl. SCHIRNIG/PETERS 1970, passim).

 

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© 1985/1999 Martin Nagel